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ÜBER DIE DATENBANK

Der Literarische Expressionismus Online versammelt erstmals sämtlichen wichtigen literarischen Zeitschriften, Anthologien, Jahrbücher und Sammelwerke des Expressionismus in einer umfassenden Forschungsdatenbank.

Ziel ist es, die in den Zeitschriften enthaltenen literarischen, künstlerischen, kulturpolitischen, ästhetischen, propagandistischen und feuilletonistischen Beiträge im originalen Text- und Gestaltungskontext – als digitale Faksimiles – online zugänglich zu machen. Gleichzeitig wird das Textmaterial auf technisch höchstem Niveau für den Nutzer erschlossen. Die Aufbereitung in einer digitalen Publikation ermöglicht der Forschung völlig neue Zugänge zu einzelnen Autoren, Themen, Aspekten oder Gattungen. Die Textbeschaffung und der systematische Zugriff auf die Texte werden erheblich erleichtert.

Damit wird eine einzigartige Quellengrundlage für Forschungen zur expressionistischen Bewegung und zur Geschichte des frühen 20. Jahrhunderts geschaffen.

Bedeutung der Quellen für verschiedene Fragestellungen
Als literarische und kulturelle Bewegung war der Expressionismus prägend für die Literatur des 20. Jahrhunderts. Unter den jungen Autoren, die damals mit Gedichten, Erzählungen und programmatischen Schriften erstmals an die Öffentlichkeit traten, zählen etliche heute zu den bedeutendsten Literaten des 20. Jahrhunderts, z.B. Hugo Ball, Johannes R. Becher, Gottfried Benn, Klabund, Georg Heym, Else Lasker-Schüler, Georg Trakl, Frank Wedekind oder Franz Werfel.

Innerhalb der expressionistischen Bewegung waren Zeitschriften und Anthologien das wichtigste Forum für die Vermittlung von Ideen und Schriften und für eine öffentliche Diskussion. Jeder Autor, der sich zu der expressionistischen Bewegung zählte, schrieb für die eine oder andere Zeitschrift, eine Reihe von Expressionisten veröffentlichte ihre Werke sogar ausschließlich in Periodika und Sammelwerken. Die große Bedeutung, die den Zeitschriften und Sammlungen damals im Vermittlungsprozess der neuen Literatur und ihrer kunsttheoretischen Ideen sowie aktueller kultur- und gesellschaftspolitischer Themen zukam, macht sie zu äußerst bedeutenden Quellen für die deutsche Literatur des frühen 20. Jahrhunderts. Diese in sich geschlossene Gruppe von Quellen bildet die literarische Bewegung des Expressionismus in großer Vollständigkeit ab.

Besonders interessant für die Quellenarbeit ist zum einen, dass viele Beiträge hier anhand ihrer Erstveröffentlichung studiert werden können, zum anderen, dass diese Veröffentlichung in Periodika, also einen schnellen Medium stattfand. Dadurch kann das jeweilige Werk im unmittelbaren Kontext des Zeitgeschehens, als direkte Reaktion auf die historischen und politischen Ereignisse betrachtet und verstanden werden.

Die Bedeutung der in der Datenbank enthaltenen Anthologien und Zeitschriften geht weit über einen rein literarischen Diskurs hinaus. Für die neuen Zeitschriften schrieben auch Philosophen, Theologen, Politiker, Historiker, Kunsthistoriker, Psychologen und viele nicht zum engeren Kreis der Expressionisten zu zählende Autoren, wie etwa Søren Kierkegaard, Martin Buber, Theodor Herzl, Theodor Heuss oder Gustav Landauer. Lithographien, Zeichnungen, Linolschnitte aber auch Notenbeispiele sind darin teilweise erstmals abgedruckt worden. Auch das Theater und die Anfänge des Films sind von den expressionistischen Formmitteln entscheidend beeinflusst worden. Das neue Massenmedium wurde in zahlreichen Aufsätzen thematisiert. Die Filme Das Cabinet des Dr. Caligari (von Robert Wiene), Metropolis (von Fritz Lang), Der Golem, wie er in die Welt kam (von Paul Wegener) oder Nosferatu, eine Symphonie des Grauens (von Friedrich Wilhelm Murnau) sind berühmte Zeugnisse des expressionistischen Films. Die in der Datenbank versammelten Quellen bieten ebenfalls ergiebiges Material für Studien zur Geschichte der Kunst, des Theaters und des Films.

In den Zeitschriften wurden häufig Texte von ausländischen Autoren veröffentlicht, über neue Tendenzen der europäischen Literatur ausführlich berichtet und Werke ausländischer Autoren rezensiert. Paul Claudel, Dostojewski, Maxim Gorki, Knut Hamsun, Ibsen, Edgar Allen Poe, Puschkin, Romain Rolland, Strindberg, Shaw, Tolstoi oder Oscar Wilde sind nur einige Autoren, die entweder mit eigenen Beiträgen vertreten sind oder deren Werke diskutiert wurden. Somit sind die Zeitschriften wichtige Quellen für den Kulturtransfer Anfang des 20. Jahrhunderts.

Trotz ihrer neuen Formsprache haben sich die Expressionisten intensiv mit der deutschen Klassik und Romantik auseinandergesetzt und Texte der großen Klassiker abgedruckt und diskutiert. Die Datenbank kann daher auch für Quellenstudien zur Rezeptionsgeschichte der deutschen Klassik und Romantik Anfang des 20. Jahrhunderts und für Forschungen zu den literarischen Vorbildern des Expressionismus dienen.

Nicht zuletzt sind die in dieser Datenbank vorliegenden Texte auch wichtige zeithistorische Quellen. Der Expressionismus verstand sich explizit als politische Bewegung und war ein Sammelbecken für liberale und radikale Strömungen zwischen dem Ende der Wilhelminischen Ära und der Weimarer Republik. Karl Marx und Friedrich Engels, Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden rezipiert, Erich Mühsam, Gustav Landauer, Kurt Eisner, Ernst Toller und viele andere schrieben programmatische Texte zur Revolution, zur Räterepublik und sozialistischen Utopie. Die Werke enthalten interessantes Material zur Beziehung der Intellektuellen und Künstler zum Sozialismus und Anarchismus und sind somit auch Quellen für eine Geschichte der sozialistischen Ideologie. In sehr unterschiedlicher Art und Weise bezogen die Autoren Stellung zum konkreten Zeitgeschehen: zum Ersten Weltkrieg, zur Novemberrevolution, der Räterepublik und den Anfängen der Weimarer Republik. Der Erste Weltkrieg insbesondere wurde in Gedichten (expressionistische Kriegslyrik), Berichten, Aufsätzen und Manifesten thematisiert.

 

Zur Materialzusammenstellung
Ausgangspunkt für die Zusammenstellung der Texte waren zwei grundlegende germanistische Standardwerke: der Kanon der expressionistischen Sammelveröffentlichungen wurde in den 1960er Jahren von Paul Raabe bibliographiert und in dem Repertorium Die Zeitschriften und Sammlungen des literarischen Expressionismus (1) beschrieben. Später folgte mit dem 18bändigen Index Expressionismus (2) eine inhaltsanalytische Aufarbeitung des Zeitschriftenkanons. Für die vorliegende Datenbank wurde dieser Werkkanon vom Herausgeber nochmals kritisch durchgesehen, um 36 Werke erweitert und die darin enthaltenen Beiträge neu erschlossen. Insgesamt umfasst die Datenbank nun 105 Zeitschriften, 11 Sammelwerke, 12 Jahrbücher und 23 Anthologien in mehr als 2.500 Ausgaben. Rund 78.900 Seiten wurden für die Datenbank digitalisiert, im Volltext durchsuchbar gemacht und durch verschiedene, umfassende Suchindizes erschlossen.

Es ist gelungen, hier eine Materialsammlung zusammenzustellen, die in dieser Vollständigkeit und Erschließungstiefe bisher in keiner Bibliothek zugänglich ist: viele der aufgenommenen Ausgaben sind nur noch in wenigen Bibliotheken vorhanden und können wegen ihres fragilen Zustands nicht mehr zur Benutzung freigegeben werden.

Die Vorlagen für die Digitalisierung wurden aus verschiedenen Bibliotheken und teilweise aus Privatbesitz zusammengetragen, vollständig gesichtet und mit den vorhandenen bibliographischen Angaben verglichen. Hierbei konnten zahlreiche bibliographische Korrekturen und Ergänzungen vorgenommen werden, etwa in den Vorlagen ganz fehlende, unpaginierte oder falsch paginierte Seiten.

Ergänzend stehen dem Benutzer 440 bio-bibliographische Artikel zu den Herausgebern und wichtigsten Beiträgern der Publikationen zur Verfügung. Diese Artikel wurden aus dem Band Die Autoren und Bücher des literarischen Expressionismus (3) und aus dem Deutschen Literatur-Lexikon (4) übernommen. In einigen Fällen wurden neue Artikel erstellt. Zusätzlich wurden dieser Personenkreis mit der Identifikationsnummer aus der Personennamendatei der Deutschen Nationalbibliothek versehen, die als Verknüpfungs- und Identifikationselement dient.

Zu sämtlichen in die Datenbank aufgenommenen Publikationen lässt sich zusätzlich eine Beschreibung des Titels mit Angaben über Erscheinungsverlauf, Herausgeber und Verlag sowie einer Liste der Beiträge abrufen.

 

Suchzugänge
Der Benutzer hat verschiedene Zugriffe auf die Texte:

Es stehen eine Reihe von Suchkriterien zur Verfügung, die das gezielte Auffinden von Beiträgen in den Publikationen ermöglichen. Neben bibliographischen Daten können systematische Suchkriterien wie Sachgruppen und Gattungsbegriffe verwendet werden. Die Volltextsuche über das gesamte Textmaterial oder in Kombination mit anderen Suchkriterien schafft eine weitere Ebene des Zugangs. Anhand der Volltextsuche kann beispielsweise die Verwendung von Begriffen und Redewendungen in ihren Zusammenhängen untersucht werden.

Um den inhaltlichen und gestalterischen Kontext der Texte für den Leser zu bewahren werden die Seiten als digitale Faksimiles am Bildschirm angezeigt. Dies ist von besonderer Wichtigkeit, da viele Zeitschriften allein durch ihre avantgardistisch-künstlerische Gestaltung Ausdruck expressionistischen Selbstverständnisses waren.

 

Bedeutung der Datenbank

Die Datenbank Der Literarische Expressionismus Online bietet einzigartige Möglichkeiten der wissenschaftlichen Recherche. Per Tastendruck steht eine umfassende digitale Bibliothek mit Beiträgen von mehr als 5.400 Autoren und Künstlern des frühen 20. Jahrhunderts zur Verfügung.

Durch die hervorragende Sacherschließung jedes einzelnen Text- oder Bildbeitrags und mittels einer Vielfalt von Suchkategorien können über das gesamte literarische Schaffen der expressionistischen Bewegung stoff-, motiv- und sozialgeschichtliche Fragestellungen beantwortet werden. Auch gattungsspezifische Forschungen werden erheblich erleichtert. Die tiefe Sacherschließung macht Entdeckungen unter den Autoren und Künstlern möglich, die über lange Zeit aus dem Zentrum des wissenschaftlichen Interesses gerückt waren und auf Ihre Wiederentdeckung warten. 

Danksagung
An dieser Stelle bedanken wir uns bei den leihgebenden Bibliotheken, die unschätzbare Hilfe bei der Zusammenstellung dieser Edition geleistet haben: dem Deutschen Literaturarchiv Marbach, der Universitätsbibliothek München, der Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, der Bayerischen Staatsbibliothek, der Universitäts- und Stadtbibliothek Köln, der Stadt- und Universitätsbibliothek Frankfurt am Main sowie der Deutschen Nationalbibliothek, die uns bei der Identifizierung von PND-Datensätzen sehr unterstützt hat.

 

Der Herausgeber

Paul Raabe, Literaturwissenschaftler und laut FAZ "Deutschlands bekanntester Bibliothekar" prägte mit unvergleichlicher Tatkraft Institutionen, die heute Zentren der Wissenschaftslandschaft Deutschlands bilden: Von 1958 bis 1968 leitete er die Bibliothek des Deutschen Literaturarchivs in Marbach, bevor er im Jahre 1968 die Leitung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel übernahm. Von 1992 bis 2000 war er Direktor der Franckeschen Stiftungen in Halle. In zahlreichen Veröffentlichungen befasst er sich neben der Buch- und Bibliotheksgeschichte auch mit der Literatur des Expressionismus, des Barock, der Aufklärung und der Weimarer Klassik.

Eine Einleitung zur Datenbank von Paul Raabe finden Sie in der Menüzeile der Datenbank unter dem Link Einleitung.

 

Literatur
(1) Raabe, Paul: Die Zeitschriften und Sammlungen des literarischen Expressionismus. Repertorium der Zeitschriften, Jahrbücher, Anthologien, Sammelwerke, Schriftenreihen und Almanache 1910-1921. Stuttgart: Metzler 1964. (Repertorien zur deutschen Literaturgeschichte 1)
(2) Index Expressionismus. Bibliographie der Beiträge in den Zeitschriften und Jahrbüchern des literarischen Expressionismus 1910-1925 Hrsg. von Paul Raabe. 18 Bde. Nendeln: Kraus-Thomson 1972.
(3) Paul Raabe: Die Autoren und Bücher des literarischen Expressionismus: ein bibliographisches Handbuch / In Zusammenarbeit mit Ingrid Hannich-Bode. 2., verb. und um Erg. und Nachtr. 1985 - 1990 erw. Aufl. Stuttgart: Metzler 1992.
(4)
Deutsches Literatur-Lexikon. Biographisches und bibliographisches Handbuch. Begründet von Wilhelm Kosch, Herausgegeben von Hubert Herkommer und Konrad Feilchenfeldt. 3., völlig neu bearb. Auflage. Band 1-27, Ergänzungsband I-VI. München: K. G. Saur 1968-2007.

Deutsches Literatur-Lexikon. Das 20. Jahrhundert. Biographisches und bibliographisches Handbuch. Herausgegeben von Konrad Feilchenfeld. Band 1-11. München: K. G. Saur 1999-2008.